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Denglisch: Angelsächsisch aufgepeppt!

07.04.2014

  Puristen bangen um die deutsche Sprache

Denglisch: Anbiederung oder Differenzierung?

Hi - sprich „hei“! Spüren Sie zuweilen Ihr „Knowing-doing-gap“? Wann haben Sie zuletzt über die „Performance“ Ihrer „Company“ „gebrainstormt“? Wurde im letzten „Face-to-face-Meeting“ über Ihre „Soft Skills“ gesprochen und festgestellt, dass noch „Room for Improvement“ besteht?

Mal einfach „in between" gefragt …

In die etwa 16 Tausend Wörter, die wir durchschnittlich Tag pro Tag absondern, nisten sich zunehmend mehr Anglizismen ein. Es wimmelt von modischem (Pseudo-)Englisch, offenbar fühlt sich Englisch besser an. Die Bahn richtete „Service Points“ ein, die Telekom warb für „Sunshine“- und „Moonshine“-Tarife und auch in Werbung werden den Kunden englische Brocken hingeworfen: „Come in and find out“ (Douglas). In der Industrie, „sorry“, im „Business“, werden schon seit längerem „Joint Ventures" geschmiedet, Abteilungen „outgecourct“ und der „Break-Even-Point“ ermittelt. Es gibt es kaum noch Jobs, die sprachlich nicht anglizistischen Ursprungs sind: Der „Key Account Manager“ kümmert sich um Schlüsselkunden, der „Director Human Ressource“ leitet die Personalabteilung und der „CEO“, „Chief Executive Officer“, ist Geschäftsführer. „Cheflobbyist“ hat einen fahlen Beigeschmack, „Political and Government Outreach Manager“ klingt seriöser. Auch ein Sparkommissar weckt Argwohn, er wird „upgegradet“ zum „Lean Facilitator“.

Dummy

"Der Glaube, es gebe nur eine Wirklichkeit, ist die gefährlichste Selbsttäuschung." (Paul Watzlawick)

Sprache ist die Kleidung der Gedanken - und Kleider machen Leute. Insofern vermittelt Sprache nicht nur Inhalte, sondern auch Bedeutung, Gefühle und Nuancen. In welchem Gewand Sprache daher kommt ist für deren Aufnahme entscheidend. Karl Kraus schrieb: „Sprechen und Denken sind eins.“ Wer also schief spricht, kann nicht geradeaus denken?

Der Herr mit dem grauen Kittel, den man noch in der Schule Hausmeister genannt hat, ist seit langem schon „Facility Manager“.

Mit derart aufgepeppten Wortblüten soll die Wirklichkeit schöner geredet werden als sie (vermutlich) ist. Mehr Schein als Sein. Sinnfreie Worttapeten kleiden unseren Sprachraum aus, und diese „Verluderung der Sprache“ ruft Kritiker auf den Plan. Mit dem Titel „Sprachpanscher“ zeichnet der Verein Deutsche Sprache alljährlich Personen aus, die „auf besonders augenfällige Weise die deutsche Sprache und Kultur mit überflüssigen Imponier-Anglizismen misshandelt haben.“ Den peinlichen Höhepunkt der Denglischwelle haben die deutschen Bestatter erreicht, als sie mit dem Begriff des „Funeralmasters“ den fragwürdigen Titel des „Sprachpanschers 2001“ errungen haben. Die Totengräber treffen sich zur Messe „Eternity“ und bezeichnen einen Sarg mit dem Begriff „Peace Box“. Im letzten Jahr wurde ausgerechnet der Duden zum „Sprachpanscher 2013“ erkoren, weil er, so der Vorwurf, Anglizismen unkritisch verwendet. Der Verein Deutsche Sprache leistet tapfer Widerstand, weil er befürchtet, dass der Anglizismenbrei die deutsche Kulturlandschaft unter sich begräbt. Der erste Sprachwächter des Vereins, Walter Krämer, sieht im „pseudo-englischen Protzgeschwafel“ eine nahezu wahnhafte Selbstverleugnung. Auch die Londoner Times bescheinigt den Deutschen „linguistic submissiveness“, also sprachliche Unterwürfigkeit. Der „Sprachpapst“ Wolf Schneider belächelt ohnehin viele Deutsche, die das Sprechen wie ein „Nebenprodukt des Kauens“ verwenden. Der SPIEGEL (40, 2006) sieht in dem „kollektiven Kniefall vor dem Sprachgestus der Angelsachsen eine tiefsitzende Verkrampfung, die im kosmopolitischen Imponiergehabe nur Kompensation sucht, nicht aber erlöst wird.“ Resümee: „Die naive Überschätzung des Fremden, die darin zutage tritt, hält sich offenbar für eine richtige Reaktion auf Fremdenfeindlichkeit, eine Spätfolge der Nazi-Verbrechen, die eine einigermaßen ausbalancierte Identifikation der Deutschen mit sich selbst unmöglich gemacht haben.“

 

Die Sprache ist natürlich im ersten Moment immer ein Hindernis für die Verständigung. Marcel Marceau

 

  Die Deutschen schaffen sich Pseudo-Anglizismen

Kuriose Wortblüten

Den Fremdwort-Ausmistern stehen Fremdwort-Liberale gegenüber. Die „Gesellschaft für deutsche Sprache“ verkündet gelassen, dass unsere Sprache durch Anglizismen nicht bedroht sei, denn es gäbe hierzulande nur etwa 3,5% Anglizismen gegenüber 20% anderer Fremdwörter. Und das Phänomen ist wahrhaftig nicht neu. Im 17. und 18. Jahrhundert verdrängte modisches Französisch an den deutschen Höfen das heimische Idiom. Auch die Deutschen - welch` wunderbarer Trost - importieren Begriffe in andere Kulturkreise: Gemütlichkeit, Kindergarten, Bratwurst, Waldsterben …

Es ist sinnlos, Anglizismen zu verteufeln, die sich bewährt haben, weil eine genaue Entsprechung im Deutschen fehlt. Für Begriffe wie „cool“, „E-Mail“, „T-Shirt“ fehlt ein adäquates deutsches Wort. Auch ist „Prallkissen“ keine Alternative zu „Airbag“, „Coffee to go“ besser als „Geh-Kaffee“ und „Lap Top“ besser als „Klapprechner“. Doch kuriose Wortvogelscheuchen, die dann auch noch in die deutsche Grammatik gezwängt werden, wie „relaxt“, „gebrainstormt“ oder „chatten“, sind Ausdruck einer „würdelosen Anbiederei an den anglizistischen Kulturkreis“.

Es ist auch nicht allein die Menge der Anglizismen, die Sprachpuristen um die Zukunft des Deutschen bangen lässt, sondern der Grad der Peinlichkeit und Lächerlichkeit, der durch den vermeintlichen Sprachimport ausgelöst wird. In Deutschland werden Pseudo-Anglizismen geschaffen, die englisch klingen, aber nicht englisch sind. Mit dem Begriff „Oldtimer“ werden alte Autos bezeichnet, im Englischen ein alter Mann. Stolz berichtete eine Schülerin, sie sei „Streetworkerin“, in Amerika ist das eine Umschreibung einer Prostituierten. Ein „Beamer“ wird in England „Projector“ genannt und in Amerika steht das Wort im Slang für einen BMW. Und wer seine Visitenkarte „tunen“ will, findet im Netz nicht ganz ernst gemeinte Job-Titel-Generatoren, die den faden Beigeschmack einer Berufsbezeichnung tilgen und den „Job“-Inhaber zum „Executive Administrator of Synergy Technologies“ oder „Deputy Officer Quality Controlling“ mutieren lassen. Klingt doch bedeutsam, oder?

Millionen Deutsche werden sich in Kürze während der Fussball-Weltmeisterschaft in Brasilien beim „Public-Viewing“ amüsieren. „Public-Viewing“ steht in Amerika für eine Leichenfeier am offenen Sarg! Ach, „Forget it" einfach!

 

Die Sprache ist der Spiegel einer Nation. Wenn wir in diesen Spiegel schauen, so kommt uns ein großes treffliches Bild von uns selbst darauf entgegen. Friedrich Schiller

 

Kommentare

Gespeichert von Wolfgang Schiessl am/um
... und so wahr. Zumeist nehme ich (ich arbeite in einem Unternehmen mit amerikanischen Wurzeln) den alltäglich verwendeten Business Slang gar nicht mehr wahr. Da war's schon wieder ...

Gespeichert von Claus von Bank am/um
...dieser Artikel , so finde ich , ist äußerst treffend geschrieben und spricht mir ganz und gar aus dem Herzen...

Gespeichert von Marius Wellenstein am/um
Ein wirklich zutreffender, aus dem Leben gewonnener, Artikel. Es ist kaum zu glauben, wie wir die Sprache verbiegen und uns andienen!

Gespeichert von Peter Stangl am/um
Lieber MKL, dieses Paper packe gleich ich in meinen Body-Bag, in derLunch-Break was zum Lesen in der Chill-Out Session (Work-Live-Balance ist ein Must!) und danach zurück in die Company zum Team Meeting. Gibt es den Flyer auch im Corporate Design? CU, PST http://www.www-kurs.de/denglisch.htm . . . ach ja, und dann noch das Thema mit den Abkürzungen . . .