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Die Kunst, gekonnt vorzutragen

30.11.2017

  Rhetorik für Manager

Die Kunst, gekonnt vorzutragen

Alle Jahre wieder – Weihnachtszeit ist Redezeit: Zeit, die Leistungen des Unternehmens unter die Lupe zu nehmen, Zeit, den Mitarbeitern für Ihr Engagement zu danken und Zeit, den Vorhang in die Zukunft zu lüften. Die Rede der Referenten, oft mit einer Weihnachtsfeier kombiniert, ist einer der Höhepunkte im Geschäftsjahr – eine herausragende, vielleicht zu oft unterschätzte Chance für Führungskräfte, nicht nur die eigene Sichtweise einzunehmen, sondern auch durch die Brille der Mitarbeiter zu blicken. Es geht darum, Bilanz zu ziehen, die Zusammenarbeit zu würdigen, die zukünftigen Erwartungen zu formulieren und vieles mehr. Je stärker die Publikumsorientierung, desto wirkungsvoller die Rede!

So manche Präsentation jedoch ist gespickt mit Zahlen, Daten und Statistiken. Das ist so langweilig wie ein Spielenachmittag im Seniorenclub. Und wenn der Redner inhaltsleere Worthülsen darbietet, einen Hang zur Oberflächenpolitur besitzt oder abgedroschene Floskeln vorträgt, droht das Publikum in einen komatösen Zustand abzugleiten. Artig wird der Vortragende zwar mit Applaus bedacht. Es stellt sich allerdings die Frage, „ob die Redner sich darüber klar sind, dass 90% des Beifalls, den sie beim Zusammenfalten des Manuskripts entgegen nehmen, ein Ausdruck von Erleichterung ist?“, wie Robert Lembke es einmal ausdrückte.

Woran liegt es, dass Vorträge oft zu Sternstunde wortreicher Sprachlosigkeit werden? Mangelnde Vortragskompetenz, unzureichende Beziehungsorientierung, geringe Sozialkompetenzen?

Profis nehmen sich die Zeit zu überlegen, wie man die Zuhörer überzeugen, gewinnen oder sogar „Zuhörzwang“ auslösen kann. Das Publikum ist in unseren Tagen oft an „Edutainment“ gewöhnt, vielleicht verwöhnt. Man möchte nicht nur informiert, sondern auch unterhalten werden. Das sollte aber den Redner nicht dazu verleiten, ein methodisches Feuerwerk zu entflammen. Von daher ist eine umfassende Vorbereitung notwendig, zumal man mit einer brillanten Rede gezielt und dauerhaft Einfluss nehmen kann.

 

Es ist nicht meine Aufgabe, das objektiv Beste zu geben, sondern das Meinige, so rein und aufrichtig wie möglich.Hermann Hesse

  Die Kraft der Worte

Das Publikum steht im Mittelpunkt

Ziel ist es, die Zuhörer mit der Kraft der Worte, mitunter kombiniert mit aussagekräftigen Bildern, zu überzeugen. Hierfür sind einige grund-legende Aspekte wichtig. Während eines Vortrages steht der Redner im Mittelpunkt, nicht seine Präsentation! Der Leitsatz „In der Kürze liegt die Würze“ gilt auch hier. Die Konzentration auf etwa drei Kernbotschaften kann vom Publikum gut aufgenommen werden. Die Fachexpertise ist zweitrangig, das Auftreten des Sprechers steht im Mittelpunkt. Wem es gelingt, das Vertrauen der Zuhörer zu erlangen, hat ein festes Beziehungsband geflochten.

Dummy

Das Publikum steht im Mittelpunkt

Vielfach ist die Ansicht zu hören, dass der „Stoff“ nahezu eins zu eins von einem Gehirn in das andere gelangt. Weit gefehlt. Jeder Mensch besitzt einen sehr unterschiedlichen Erfahrungshintergrund, und die neuen Inhalte einer Rede werden mit vorhandenem Wissen verknüpft. So entsteht ein individuelles Bild, und ganze „Landkarten“ werden konstruiert. Und das, was ankommt, unterscheidet sich häufig mehr als vom Redner beabsichtigt. Kurze, knappe, eindeutige Informationen wirken einem Missverstehen entgegen.

Die Rolle der Zuhörer ist bei Vorträgen ausgesprochen passiv. Die Meinung, dass der Redner das Publikum nicht mit einbeziehen kann, hält sich zäh wie Kaugummi. Um die Teilnehmer stärker zu aktivieren, gibt es eine ganze Reihe von Möglichkeiten. Beispiel: Jedem der Teilnehmer werden zu Beginn der Veranstaltung vier verschiedenfarbige Karten gegeben. Der Redner stellt eine Frage und bittet jeden, die aus seiner Sicht korrekte Antwort aus den auf der Bühne gezeigten Antwortalternativen zu erteilen, indem er die rote, blaue, grüne oder gelbe Karte hebt. Anschließend erörtert der Redner, warum die zum Beispiel grün markierte Antwort korrekt ist. Das können Wissens-, Meinungs- oder Entscheidungs-Fragen sein. Durch das Mittun erlangt das Publikum nicht nur ein eine aktivere Rolle, das Thema wird auch fester verankert. Diese Abfragemöglichkeit gibt es auch elektronisch, zum Beispiel bei „Kahoot“. Es geht allerdings auch ohne jeglichen Aufwand, wenn man Kontakt mit dem Publikum aufnimmt und die Fragen direkt an das Plenum stellt oder eine „Hand-Hoch-Abstimmung“ durchführt.

Wir denken in Bildern und besitzen einen nahezu unbegrenzten Vorrat anschaulicher Redewendungen. Von daher sollten (passende) Bilder nicht nur gezeigt werden, auch sprachlich können wir „Bilder“ erzeugen, und zwar durch Metaphern. Jeder Satz soll auf der geistigen Leinwand der Zuhörer ein Bild auslösen. Lassen Sie Bilder in den Köpfen Ihres Publikums entstehen und beteiligen Sie Ihr Publikum emotional an Ihrem Anliegen.

 

Ohne Klarheit in der Sprache ist der Mensch nur ein Gartenzwerg. Element of Crime

  Aufmerksamkeit und Spannung erhöhen

Wie Wirksprache wirkt

Zu den wichtigsten Abschnitten einer Rede gehört der Einstieg. Wie beginnen? Der Anfang ist die Hälfte des Ganzen. Viele Reden beginnen oft so: „Ich freue mich, dass Sie so zahlreich gekommen sind...“ Niemand erscheint „zahlreich“. Häufig geäußerte, langwierige Begrüßungsformeln kann kaum jemand noch hören. Eine persönliche, auf die Veranstaltung zugeschnittene Eröffnung, gepaart zum Beispiel mit einem positiven Gefühl, stellt den Kontakt her. Wofür Sie sich auch entscheiden, Ihre Freude sollte echt sein. Eine spannende Anekdote oder Geschichte, nicht aus Arabien oder von Steve Jobs, sondern ein persönliches Erlebnis des Redners mit Bezug zum Publikum kann die Teilnehmer in Bann ziehen. Denn „die schönsten Romane werden erlebt und nicht geschrieben“, wie Audrey Hepburn einmal äußerte. Und davon können Sie dann erzählen.

Um Aufmerksamkeit und Spannung zu erhöhen, bietet sich der Telegrammstil bzw. das Reden mit Doppelpunkt an: kurze Haupt-Sätze mit kaum mehr als acht Wörtern, im Präsens und der Aktivform vorgetragen, mit kleinen Wirkpausen. So beteiligen Sie die Zuhörer „live“ am Geschehen. Gehen Sie sparsam mit Ausdrücken um, die weder ein Bild noch Emotionen auslösen: dynamisch, innovativ, modifizieren, effektiv, flexibel, effizient, optimal... Es sind Begriffe, die fast keine Wirkung erzielen. Gleiches gilt für verschwurbelte Business-Anglizismen.

Alltagsfloskeln töten jegliches Interesse. Zu den „Phrasen des Grauens“ gehören inhaltsleere Floskeln, auf die man einfach verzichten sollte: Statt „Ich möchte Ihnen gerne...“, es einfach tun. Statt „Wie Sie wissen...“, besser weglassen, denn wenn das Publikum es weiß, muss ich es nicht ansprechen. Statt „Ich komme zum Ende...“ einfach die Rede mit einem fulminanten Schluss-Akkord beenden. „Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit“ ist völlig abgedroschen. Zu allem Überfluss wird dieser Dank häufig auch noch auf die letzte Folie geschrieben, das ist dann wirklich das Ende...

Jedes kleine Mosaiksteinchen, das zusätzlich Spannung in den Vortrag bringt, jede Geschichte, die das „Kopfkino“ des Publikums anwirft, jeder Gedankengang, bei dem man eine Stecknadel fallen hören könnte, macht Ihre Rede im Gesamten zu einem Highlight – und das nicht nur zur Weihnachtszeit!

 

Werden Sie wie Sie sind. Michael Rossié