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Emotionales Verkaufen

23.09.2017

  Die Kunst, Kunden gehirngerecht anzusprechen

Emotionales Verkaufen

Wären Emotionen eine Währung, würden so manche Verkäufer auf ein leeres Konto blicken. Emotionen? Der Begriff passt auf den ersten Blick so gar nicht in die Welt des Business – zu esoterisch, viel zu weich, kaum fassbar. Wer so denkt und versucht, seine Kunden mit Zahlen, Daten und Fakten zu überzeugen, tritt kräftig auf die Erfolgsbremse.

Der kühle Verstand galt lange als das Kronjuwel der Schöpfung. Heute wissen wir, dass all unser Denken und Handeln geleitet ist von Emotionen. Eine bekannte Untersuchung zeigt: Werden auf einem Krabbeltisch Herrensocken sowohl als Einzelpaar für vier Euro als auch im Dreierpack zum „Vorteilspreis“ von 15 Euro angeboten, greifen die meisten Käufer zum vermeintlichen Vorteilspaket. Der Grund für das scheinbar irrationale Verhalten ist einfach: Das Rabattschild stimuliert unser cerebrales Belohnungssystem, und die Kunden fühlen sich gut dabei. Der Verlust von Geld dagegen aktiviert die Insula, ein Hirnareal, das auch für die Schmerzverarbeitung verantwortlich ist. Der „Homo oeconomicus“, ein Auslaufmodell, wird zum Spielball seiner im Gehirn ausgelösten Emotionen. Menschen handeln nicht nach einer Kosten-Nutzen-Optimierung, sondern sind mehr von ihren Gefühlen, Wünschen und Sehnsüchten getrieben. Die schier endlose Palette von Stimmungen und Emotionen und all ihren möglichen Mischungen und Schattierungen gibt unserem Leben erst Farbe und Gestalt.

Wie geht das? Nahezu alle Reize die durch unsere Sinnesorgane in unser Oberstübchen gelangen, landen zunächst im Limbischen System. In Bruchteilen von Sekunden werden die Impulse – ohne dass der Vorgang für uns bewusst wird - emotional markiert. Erst anschließend fügt das Gehirn, genauer die Großhirnrinde, eine „vernünftige“ Entscheidung hinzu, sodass der Mensch glaubt, er habe rational entschieden.

Hierfür sind verschiedene Hirn-Strukturen verantwortlich, welche positive und negative Emotionen auslösen sowie Aufmerksamkeit und Bewusstsein steuern. Der Hippocampus, unser Neuigkeitsdetektor, entschiedet, was in unser Gehirn gelangt. Die Amygdala (Mandelkern) ist unser „Gefahrenradar“. Sie spürt Bedrohungen und potentiale Gefahren auf und schüttet Stresshormone aus, die zu Wut, Abwehr oder Rückzug führen. Oxytocin hingegen bewirkt Vertrauen und Loyalität. Dieses „Kuschelhormon“ verbindet Sozialkontakte mit einem guten Gefühl. Vertrauen, das weiß jeder Verkäufer, ist die Basis für einen Verkaufserfolg. Der Nucleus accumbens („Lustkern“), ein Areal, das als Belohnungssystem bekannt ist, reagiert auf unverhofft positive Reize mit der Ausschüttung von Dopamin, das auch als Glückshormon bezeichnet wird. So kommt es, dass unser „Belohnungszentrum“ im Gehirn sogar eine positive Geschmackswahrnehmung verstärkt und der gleiche Wein Testpersonen besser schmeckt, wenn er mit einem höheren Preis ausgezeichnet ist. Diese Beispiele verdeutlichen: Emotio schlägt Ratio. Unser Hirn hat seinen eigenen Kopf!

 

Wenn das Belohnungssystem im Gehirn aktiviert wird, nimmt die Fähigkeit, kritisch zu denken, massiv ab. Prof.Dr. Christian Elger

 

  Verkaufen mit Köpfchen

Der emotionale Verkäufer

Der ultimative „Kaufknopf“ für Verkäufer existiert nicht. Um Kaufentscheidungen zu treffen, greift das Gehirn auf komplexe neuronale Strukturen zurück, die über zahlreiche Gehirnregionen verteilt sind. Dieses System wägt ab zwischen dem Verlangen nach einem Produkt und etwaigen Nachteilen, z.B. dem Verlustempfinden für Geld. Da jeder Mensch diesbezüglich einzigartig ist, sollten Verkäufer zunächst ermitteln, wie der Kunde grundsätzlich „tickt“. Der Neuroselling-Experte Hans-Georg Häusel hat hierzu drei zentrale Kundenprofile erstellt, die auf den Systemen Stimulanz, Dominanz und Balance basieren.

Neuroselling

Neuroselling

Der stimulanzorientierte Kunde ist neugierig und kreativ und hört gerne Attribute wie „neu eingetroffen“, „das hat noch niemand“ oder „Sie sind der erste, dem ich das Produkt vorstelle“. Kunden, die bevorzugt auf das Dominanzsystem zurückgreifen, streben Macht, Status und Autonomie an und vernehmen gerne Formulierungen wie „ganz schnell, hocheffizient“, „spart wertvolle Zeit“ oder „verschafft Ihnen hohe Anerkennung“. Der „Balance“-Kunde sucht Sicherheit und Stabilität und hört gerne: „vielfach untersucht“, „sicher und zuverlässig“, „risikolos“.

Zu jedem wahr genommenen Begriff hat das Gehirn unzählige Assoziationen parat. Verneinungen werden im Gehirn nicht umgesetzt (Denken Sie nicht an einen rosa Elefanten!). Wenn ein Verkäufer davon spricht, dass sein Produkt nicht teuer sei, bleibt nur "teuer" hängen. Rhetorische Floskeln oder auswendig gelernter Verkäuferjargon bleiben weitgehend unter der Wahrnehmungsschwelle. Offene Fragen, Dialoge und aktives Zuhören rücken die Kundenbedürfnisse in das Zentrum des Gesprächs. Gefühle auslösende Fragen helfen, auf den Gesprächspartner einzugehen: „Was wäre Ihr größter Wunsch an uns...? Was schätzen Sie besonders an ...? Was halten Sie persönlich davon ...?. Mit dem Nachsatz „Erzählen Sie mal...“verstärken Verkäufer ihre persönliche Beziehung zum Kunden.

Das Gehirn liebt Bilder und Geschichten, persönliche Erlebnisse und lebendige Metaphern. Verkäufer, die ihre Kunden mit Grafiken, Tabellen oder Texten überzeugen wollen, erreicht oft noch nicht einmal die gewünschte Aufmerksamkeit. Die Motivationssysteme schalten ab.

Beziehungskiller Nummer eins sind Beschönigungen oder Unwahrheiten. Ein Lügner reagiert mit seinem emotionalen Ausdruck um etwa 2 Sekunden langsamer, weil er nachdenken muss. Das registriert unser „Gefahrenradar“, die Amygdala. Jedes noch so kleine Signal in Mimik oder Stimme sorgt dafür, dass etwaige Manipulationen oder falsche Behauptungen eines Verkäufers entlarvt werden. Der Kunde reagiert mit Rückzug („Ich muss mir das noch einmal überlegen“).

Das Gehirn will ein Happy End. Verkäufer, die einen guten Abschluss erzeugen wollen, bieten Wahlmöglichkeiten, üben keinen Abschlussdruck aus und vermeiden, dass Kunden sich zum Kauf gezwungen sehen. Wer Kundentreue erzielen will, sollte für gute Gefühle sorgen. Das kann, ganz einfach, auch das als angenehm und wohltuend empfundene Gespräch sein. Durch das gemeinsame Handeln mit positivem Ausgang wird Vertrauen gefördert, begleitet durch Oxytocin, dem Botenstoff für Verbundenheit. Menschen kaufen schließlich von Menschen.

Firmen tun gut daran, die Kundenorientierung zu einem zentralen Bestandteil ihrer Unternehmenskultur zu machen. Wer darauf verzichtet, öffnet dem Wettbewerb Angriffsflächen und verliert Marktanteile. Emotionales Verkaufen hilft Verkäufern, ihr Bewusstsein für das emotionale Profil ihrer Kunden zu schärfen, um zu erkennen, wie sie sich kundenorientiert verhalten können. Niemand kauft ein Produkt, er wünscht sich Problemlösungen und gute Gefühle. Emotionales Verkaufen ist Beziehungsmanagement.

 

Die Neurowissenschaften machen unbewusstes Wissen und Handeln bewusst nachvollziehbar - und damit auch trainierbar. Andreas Buhr