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Lernen und die Macht der Gefühle

08.04.2013

  Wie Emotionen unser Verhalten steuern

Lernen und die Macht der Gefühle

Mein Kopf sagt ja, mein Bauch nein! Häufig äußern wir uns so, wenn wir um eine Entscheidung ringen. Was hier scheinbar miteinander konkurriert, sind nicht etwa zwei Körperteile, sondern Emotionen, die einen „rationalen“ Gedanken zu beeinflussen versuchen. Erinnerungen sind tief in uns verborgen und zuhauf in uns gespeichert. Und werden sie geweckt, so steigen sie wieder ins Bewusstsein. Wir hören ein Lied, erinnern uns an die Liebe, die uns früher verband, und fühlen uns zurück versetzt in das damalige Glückserlebnis. Wir hören das Klirren einer Glasflasche, und schon erinnern wir uns daran, wie wir uns an einer zerspringenden Flasche verletzt haben, ein unangenehmes Gefühl taucht an die Oberfläche.

Die Erforschung des Gefühlslebens hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einer Lawine entwickelt. Einer der Forscher, Antonio Damasio, ein Neurowissenschaftler aus den USA, der sich auf die Erforschung der neuronalen Grundlagen von Gefühl und Vernunft konzentriert, kommt zu dem Schluss, dass eine Trennung zwischen Körper und Geist ein Irrtum sei.

Bis in die heutige Zeit gilt der kühle Verstand als das „Kronjuwel der Schöpfung“. Wir lassen uns (scheinbar) von Zahlen, Daten und Fakten leiten, wenn wir ein Auto kaufen oder eine Küchenmaschine erwerben. In nahezu jeder Talk-Show fordert einer der Diskutanten dazu auf, bitte nicht so emotional zu sein. Ohne Zweifel sind ein kristallklarer Verstand, ein spritziger Intellekt oder eine kalkulierende Rationalität wichtige Fähigkeiten. Doch sind Verstand und Gefühl allumfassend miteinander verwoben. Wir können einfach nicht nicht fühlen!

Wenn wir über unsere fünf Sinne Informationen aus der Umwelt empfangen, gelangen sie zunächst ins Limbischen System, wo sie eine emotionale Färbung erhalten. Erst anschließend - Millisekunden später - werden die Informationen im Großhirn verarbeitet, dann wird also nachgedacht. Das ist überaus sinnvoll, wenn zum Beispiel eine Gefahr droht. Ein in der Evolution entstandenes emotionales Alarmsystem setzt bei drohender Gefahr eine biologische Verteidigungsmaschinerie in Gang. In einer derartigen Lage nachzudenken, könnte tödlich sein. Gefühle haben also auch eine elementare Schutzfunktion, sie sind lebensnotwendig. Die (All)macht der Emotionen zeigt sich jedoch nicht nur in bedrohlichen Situationen, sondern in jeder Lebenslage. Wut, Trauer, Freude, Liebe, Hass, Ekel, Angst, Lust, Gänsehaut ... können wuchtig wie eine Symphonie sein oder zart wie der Klang einer Harfe. Der Ton macht die Musik.

Mit Hilfe der funktionalen Magnetresonanztomographe (fMRI) lassen sich heute Hirnströme messen. Eine fMRI macht Durchblutungsänderungen in den verschiedenen Hirnarealen sichtbar. Somit konnten Forscher u.a. nachweisen, dass all unser Denken und Handeln von Emotionen geleitet ist.

Es existiert also kein Widerspruch zwischen Kopf und Bauch, Geist und Körper oder Verstand und Gefühl. Menschen kann man nur „ganzheitlich“ betrachten!

 

Verstand ohne Gefühl ist unmenschlich; Gefühl ohne Verstand ist Dummheit. Egon Bahr

 

  IQ und EQ

Was bedeutet die Macht der Emotionen für Training und Lernen?

Lernen ohne Gefühle geht nicht. Jeder kennt es, dass Fach X einfach keinen „Spaß“ macht oder Fach Y „geliebt“ wird, miserable Lernergebnisse werden oft damit begründet, dass es am Lehrer lag ... Die Zeiten des Dressur-Lernens sind vorbei. „Nachhaltig kann neues Wissen im Gehirn nur dann verankert werden, wenn es unter die Haut geht“ (Gerald Hüter), also positive Gefühle auslöst. Wer mit Belohnung und Bestrafung zum Lernen zwingt, verdrängt die ureigene Lust am Lernen.

Man braucht sich dann auch nicht zu wundern, wenn nur noch mit Zuckerbrot und Peitsche gelernt wird. Die sogenannte Hattie-Studie hat in einer weltweit durchgeführten Meta-Analyse gezeigt, dass vor allem die Zuwendung an die Lernenden entscheidend ist. (http://www.visiblelearning.de)

Illustration Lerngruppe: Eine Personengruppe bewegt sich auf eine Tür mit der Aufschrift Wissen zu.

führen, fühlen, fortbilden

Lernen in Gruppen: Ein Gesichtsausdruck besteht aus 43 „Aktionseinheiten“, Muskeln und Muskelgruppen, die etwa 3.000 Kombinationsmöglichkeiten besitzen. Immer wenn Menschen sich (erstmalig) begegnen, wird das emotionale Speichersystem aktiviert und innerhalb von 100 Millisekunden eine „Beurteilung“ frei gesetzt, sie ist rasend schnell, allerdings ungenau.

Dieser „Gesichtserkennungsdienst“ lenkt seine Informationen blitzschnell ins Limbische System, wo dann ein Gefühl „erzeugt“ wird.

Es ist nichts neues, der erste Eindruck spielt für Beziehungen eine große Rolle, natürlich auch in Seminaren und Workshops. Diese „neuen“ Erkenntnisse bestätigen jahrelange Erfahrungen. Aller Anfang ist nicht nur schwer, er ist für den Fortlauf eines Vorgangs auch unglaublich wichtig! Das zu akzeptieren und bei der Veranstaltung zu berücksichtigen, ist für einen erfolgreichen Lernprozess eine wichtige Grundlage.

Emotionen und Gefühle sind zunehmend auch selbst Gegenstand zahlreicher Seminare. Gerade in der heutigen Geschäftswelt, wo es vordergründig um Zahlen, Daten und Fakten geht, wächst der Bedarf an Themen, welche die Macht der Emotionen selber zum Gegenstand eines Trainings machen. Beispiel: „Emotional Leadership“: Eine professionelle Führungskraft, so heißt es, zeichnet sich dadurch aus, erfolgreich zu „performen“ - Gefühle zu zeigen, ist verpönt. In derartigen Seminaren lernen Führungskräfte dann, Führen und fühlen gleichermaßen zu berücksichtigen. Mit „Key Performance Indicators“ oder Ähnlichem allein lässt sich wirklich kein geschäftlicher Erfolg "managen". Es ist demnach verständlich, dass immer mehr Führungskräfte „Emotionale Kommunikation“ trainieren wollen.

Jahrzehnte galt der Intelligenzquotient (IQ) als maßgebliche Beurteilungsgröße von Menschen. Spätestens seit Daniel Goleman mit seinem Buch „Emotionale Intelligenz“ dem IQ einen gleichwertigen Bruder zur Seite gestellt hat, wurden die Türen zur Gefühlswelt weit aufgestossen.

Und wie schafft man es, eine positive Lernatmosphäre aufzubauen? Indem man vor allem die Interessen, Motive und Vorstellungen der Teilnehmer berücksichtigt, die Menschen wertschätzt und in ihrer Unterschiedlichkeit respektiert.

Emotionen sind der Lotse, der uns hilft, durch unbekanntes Gebiet zu gehen. Ohne Gefühle läuft nichts! Nicht im Leben, nicht in der Schule und nicht in Seminaren!