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Verhaltensänderung

02.11.2015

  Neurowissenschaft

Die Kunst der Verhaltensänderung

Wir wollen andere ändern, andere sind dabei, uns verändern zu wollen, und manchmal sind wir sogar bestrebt, uns selbst zu verändern. Nichts ist so beständig wie der Wandel. Doch wohl jeder hat erlebt, dass Veränderungen entweder gar nicht oder nur vorüber gehend gelingen. Als Tiger gestartet landet das Vorhaben häufig als Bettvorleger. Wie Silvester - tolle Vorsätze, grandioses Scheitern.

Auch das Arbeitsleben kennt eine Konstante: die Veränderung. Ein Verkäufer versucht, den Kunden zu einer Verhaltensänderung, sprich Kauf, zu bringen, der Vorgesetzte ist bemüht, seine Mitarbeiter in eine bestimmte Richtung zu bewegen und in vielen Unternehmen steht Veränderung auf der Tagesordnung. Die Anpassung an veränderte Marktverhältnisse erfordert ein „Denken in Veränderung“. Immer wieder jedoch scheitern Veränderungsvorhaben. Woran liegt das?

Einige Firmen orientieren sich zu stark an Sachlösungen. Wer Veränderungsprozesse initiiert, sollte mit der emotionalen Dynamik vertraut sein, die jede Veränderung mit sich bringt: Verlustängste, Resignation, Wut, Reaktanz. Um Veränderungen erfolgreich zu implementieren, ist es wichtig, die betroffenen Personen einzubinden. Hier spielt die Kommunikation eine entscheidende Rolle. Die Betroffenen sollten erfahren, wozu die Veränderungen dienen, sie sollten über die Auswirkungen informiert und an der Lösungsfindung beteiligt werden.

So weit, so gut!. Trotzdem bleibt die Frage, warum es uns trotz vermeintlich passender Kommunikation so schwer fällt, erlernte Fähigkeiten und erlerntes Wissen dauerhaft anzuwenden. Wo sind die Chancen und Grenzen, wenn ich mich oder andere verändern möchte? Antworten gibt die aktuelle Hirnforschung.

Die Persönlichkeit eines Menschen besteht im Wesentlichen aus vier verschiedenen Ebenen. Die Ebene der sogenannten vegetativen-affektiven Steuerung ist die unterste Ebene, sie entsteht bereits in der 7. Schwangerschaftswoche. Die hier stattfindenden Antriebe und Affektzustände sind unser „Steinzeit-Erbe“ und weitgehend nicht zu beeinflussen. Die nächsthöhere Ebene der „emotionalen Konditionierung“ ist ebenfalls genetisch vorgegeben, wird allerdings durch vorgeburtliche und frühkindliche psychosoziale Erfahrungen geprägt. Sie ist das „Kleinkind“ in uns und bleibt ein Leben lang „egoistisch-egozentrisch“. Die dritte Ebene der „limbischen Großhirnrinde“ steuert die Aufmerksamkeit, das bewusste Gefühlsleben und das Sozialverhalten. Die Entwicklung dieser Ebene vollzieht sich von der frühen Kindheit bis in das Erwachsenenalter. Auf dieser Ebene lernen wir Fähigkeiten, die uns die Anpassung an natürliche und gesellschaftliche Einflüsse ermöglichen. Die vierte Ebene der „kognitiv-kommunikativen Funktionen“ ist Sitz des Arbeitsgedächtnisses, des Verstandes und der Intelligenz. Hier befinden sich die Sprachzentren und hier werden Wissensinhalte gespeichert Diese Ebene hat am wenigsten mit unserer Persönlichkeitsentwicklung zu tun. Veränderungen sind also weitgehend nur auf der Ebene der limbischen Konditionierung möglich, in der die Sozialisierung verankert wird

Dummy

Warum jedoch legen wir neue Gewohnheiten oft wieder ab und warum fallen wir in alte Verhaltensmuster zurück? Die Einflussnahme der Ebenen unserer Persönlichkeit wirkt stärker von unten nach oben. Gegen eine genetische Veranlagung, eine frühe Prägung sowie die emotionale Konditionierung zu Beginn eines Lebens sind mit rein kognitiv-kommunikativen Lösungen nur schwer zu bekämpfen. Haben Sie sich schon einmal darüber gewundert, warum ein Elefant an einer relativ dünnen Kette angebunden ist? Als junges, noch schwaches Tier hat er vergeblich versucht, sich von der Kette zu lösen. Und weil er durch diese Erfahrung emotional konditioniert wurde, hat er es als ausgewachsener Elefant nicht mehr probiert. Auch Menschen haben sich in der frühen Kindheit Verhaltensweisen angeeignet, die zu einem späteren Zeitpunkt nur schwer verändert werden können.

 

Es muss sich alles verändern, damit alles so bleibt, wie es ist.Giuseppe Tomasi di Lampedusa, "Der Leopard"

 

  Hirngerechte Strategien

Der Erfolgsschlüssel: Orientierung an der Persönlichkeit!

Veränderungen erfordern zunächst einmal, dass man darüber spricht. Bei der Kommunikation ist es jedoch weniger wichtig, was gesagt wird, sondern welche Bedeutung der Sachinhalt hat. Missverständnisse sind dann vorprogrammiert, wenn die Bedeutungen beim Sender und beim Empfänger unterschiedlich sind. Neben der Problematik, andere zu verstehen gilt es jedoch auch, sich selbst zu verstehen. Oft wissen wir ja selbst nicht, woher bestimmte Handlungsweisen kommen. Wir fragen: Warum habe ich jetzt so gehandelt? Warum fühle ich mich in einer bestimmten Situation bedroht? Warum reagiere ich auf bestimmte Vorkommnisse zornig? Das, was in bestimmten Situationen hoch kommt, ist häufig das Ergebnis lange zurückliegender Prägungen und damit verbundener, „bewährter“ Handlungsmuster. Das bremst erfolgreich Veränderungsvorhaben! Die meisten Menschen machen so weiter wie bisher, auch wenn eine Veränderung Vorteile verspricht. Das gibt ein Gefühl der Sicherheit und Routine. Neues hingegen ist immer mit der Gefahr des Scheiterns verbunden. Was können wir also tun, um subjektiv unangenehme Veränderungsprozesse dennoch zu meistern?

Die in der beruflichen Praxis am häufigsten verwendeten Strategien sind folgende: Der Befehl von oben, der Appell an die Einsicht, die Orientierung an der Persönlichkeit. Die Strategie der Befehlsgewalt ist relativ weit verbreitet, weil sie für viele Vorgesetzte auf den ersten Blick die leichteste ist, zuweilen ist sie jedoch notwendig, um Entscheidungen auch bei Widerstand durchzusetzen. Allerdings ist sie – langfristig betrachtet - auch die wirkungsloseste. Mitarbeiter empfinden die einzuführenden Maßnahmen oft als Bedrohung, reagieren mit Stress, Abwehr und Vermeidungsverhalten oder entwickeln sich zu Nörglern. Der Appell an die Einsicht verläuft meist ebenfalls ohne die gewünschte nachhaltige Wirkung. Den Mitarbeitern leuchtet die Notwendigkeit einer Veränderung nach außen hin zwar ein, aber viele werden schweigsamer, teilnahmsloser und vermindern ihr Engagement. Befehl und Appell scheitern oft, denn die unteren Ebenen sind – wie Neurowissenschaftler betonen - weitgehend unbeeinflussbar.

Sich an der Persönlichkeit zu orientieren ist die effektivste Strategie, um Veränderungen dauerhaft einzuleiten. Sie ist allerdings auch aufwendig, weil es eine umfassende Kenntnis der Persönlichkeit des Mitarbeiters sowie ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen erfordert. Der Idealzustand wäre, dass der Vorgesetzte die Vorzüge und Neigungen des Mitarbeiters kennt, weiß, auf welche Formen der Belohnung er anspricht und einschätzen kann, welche Reaktionen in bestimmten Situationen auftreten. Nur so hat der Mitarbeiter die Möglichkeit, in den Veränderungen Chancen für sich selbst zu erkennen. Und der Chef ? Er hat den Nutzen, die Change-Projekte erfolgreich zu implementieren. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist das vorbildliche Verhalten eines Vorgesetzten. Wer glaubwürdig und vertrauensvoll ist, kann die Veränderungsbereitschaft der Mitarbeiter enorm erhöhen.

Menschen zu verändern ist nur in engen Grenzen möglich, denn das Echo unserer stammesgeschichtlichen Vergangenheit und unsere persönlichen Verhaltensgrundlage lassen sich nicht einfach ignorieren. Will man das, was machbar ist, nutzen, so funktioniert dies nur, wenn man die Persönlichkeit der Menschen respektiert und das gelingt nur, wenn man sich selbst immer wieder bewusst macht, worum es eigentlich geht.

 

Menschen suchen sich i.d.R. diejenigen Lebensumstände, die zu ihrer Persönlichkeit passen, anstatt sich in ihrer Persönlichkeit und Lebensauffassung den wechselnden Lebensumständen anzupassen. Jens Asendorpf

 

Kommentare

Gespeichert von Walter Weber am/um
Hallo Michael, gefällt mir sehr gut, was Du hier zusammengestellt hast. Ich denke, jeder sollte sich immer wieder selbst die Frage stellen, warum handele ich gerade so, wie ich es im Moment tue. Es löst zwar nicht alle Probleme, hilft allerdings immens, manche Situationen mehr von "außen" zu betrachten. Es lohnt sich in jedem Fall, immer wieder am Ball zu bleiben. Gruß Walter

Gespeichert von Bärbel am/um
Lieber Michael, danke für den interessanten und beeindruckenden Artikel. Jetzt wird mir auch klar, warum Appelle nach kurzer erfolgszeit oft im Sande verlaufen. Sand erinnert ja auch mehr an die Kindheit. Jetzt schreib noch bitte, wie ich die persönlichkeitserkenntnis erreichen kann. Liebe Grüße Bärbel