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Abwärtsspirale in den Konflikt

26.10.2016

  Konfliktmanagement

Die Abwärtsspirale in den Konflikt

Jeder kennt sie, keiner mag sie: Konflikte. Zoff im Büro, Grabenkämpfe zwischen Abteilungen, kalte Streitereien unter Mitarbeitern. Konflikte gehören zum Arbeitsleben wie der Donner zum Gewitter. Bleiben sie ungelöst, verringern sie die Leistungsbereitschaft, nagen an der Motivation der Mitarbeitenden und kosten Geld, viel Geld. Die KPMG, eine von Deutschlands führenden Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, hat errechnet, dass Konflikte am Arbeitsplatz deutsche Unternehmen pro Jahr etwa 20% ihrer Personalkosten ausmachen. Qualitätsmängel, entgangene Aufträge, erhöhte Fehlzeiten, Kündigungen und vor allem der Verlust der Arbeitszeit während der Konfliktbewältigung, das sind Kosten, die in keiner Planung oder Bilanz auftauchen, aber massiv auf das Betriebsergebnis durchschlagen.

Viel zu häufig werden Konflikte nicht frühzeitig erkannt oder unter den Teppich gekehrt, weil, so die Behauptung, „es in unserem Unternehmen keine Konflikte gibt“. Von daher erreichen Konflikte die Geschäftsführung oder die Personalabteilungen erst zu einem Zeitpunkt, wo sie bereits ihre zerstörerische Kraft entfaltet haben. Und ist es für eine Führungskraft nicht vorteilhafter, problematische Auseinandersetzungen für sich zu behalten, damit sie nicht auf ihn zurückfallen? Doch eines ist sicher: Wer den Kopf in den Sand steckt, knirscht bald selbst mit den Zähnen. Denn die Annahme, dass sich Konflikte von alleine lösen, ist so unwahrscheinlich wie ein Schneegestöber in der Sahara.

Die meisten Konflikte beginnen klein. Oft ist es eine Lappalie, die den Beginn markiert. Eine unachtsam geäußerte negative Bemerkung oder eine abwertend empfundene Geste, vor allem Missverständnisse sind es, die Konflikte auslösen können. Sie entstehen, weil Sender und Empfänger mit der Botschaft auf einen unterschiedlichen Erfahrungshintergrund blicken, die Bedeutung der Aussage demnach verschieden ist. Störungen sind selten rein sachlicher Natur, sie sind überwiegend an Personen gebunden. Bei nahezu jedem Konflikt geht es letztlich um unbefriedigte Bedürfnisse nach Anerkennung oder Wertschätzung.

Wenn diese menschlichen Grundbedürfnisse missachtet werden, was im Arbeitsleben Viele beklagen, wird - neurobiologisch betrachtet - ein archaisches Verhaltensprogramm ausgelöst: erstarren, fliehen oder kämpfen. In Unternehmen wird tendenziell eher gekämpft. Das führt zu einem Verlust an Einfühlungsvermögen.

Der Konfliktforscher Friedrich Glasl hat ein Eskalationsmodell erstellt, entlang derer sich Konflikte entwickeln. Der österreichische Wissenschaftler hat es treffend auf den Punkt gebracht: Am Anfang hat man noch einen Konflikt, später hat einen der Konflikt.

An welchen Symptomen erkennen wir die Konfliktstufen nach Glasl? In der ersten Stufe - „Verstimmung, Verärgerung, Verhärtung“ – wird eine Meinungsverschiedenheit mit negativen Emotionen verknüpft. Das geschieht von Personen, die ihr aufkeimendes Spannungsverhältnis mit abwertenden Sätzen kommentieren. Das stört, wird von anderen als Ärgernis empfunden und vermindert die Unbefangenheit. Es wird kälter!

Wenn eine zunehmende Polarisierung, Schwarz-Weiß-Malerei und emotional gefärbte Streitereien auftreten, haben wir es mit der Stufe zwei – „Debatte, Streit, Polemik“ – zu tun. Das Klima wird rauer, die Parteien nehmen eine rigorosere Haltung ein, und in die Auseinandersetzung mischt sich ein zurechtweisender und belehrender Ton. Ein „Wettkampf um Überlegenheit“ beginnt. Die Beteiligten sind zwar noch an einer Lösung der Auseinandersetzungen interessiert, aber negative Erwartungen an die Zukunft lassen sie zweifeln.

In der dritten Stufe - „Taten statt Worte“ – wird aus den Zweifeln Gewissheit: weitere Diskussionen lohnen sich nicht. Nun gilt es, die Sache selber in die Hand zu nehmen. Man versucht, mit einseitig vollendeten Tatsachen die Gegenseite unter Druck zu setzen. Die Macht des Faktischen erweist sich als Konflikttreiber und verbale Attacken gehen in einen Machtkampf über. Durch das Fehlen jeglicher Kommunikation sind die Parteien auf Interpretationen angewiesen, die auf dürftiger Basis getroffen und von daher oft fehlerhaft sind. Man hat sich nun selbst in einen Deutungskäfig gesperrt, aus dem es aus Angst vor Gesichtsverlust kaum ein Entrinnen gibt.

Die darauf folgenden Stufen sind gekennzeichnet durch massiven Druck und offene Drohungen. Es besteht nur noch das Ziel, dem „Feind“ zu schaden, ein totaler Krieg mit Vergeltungsschlägen beginnt. Wut, Hass und Rache sind die bestimmenden Gefühle. Konflikte auf den letzten Stufen lassen sich nur noch durch einen Machteingriff beenden.

Dummy

Klärendes Gespräch führen!

 

Nur im Widerstreit gegenästzlicher Meinungen wird die Wahrheit entdeckt. Claude Adrien Helvetius

 

  Wehret den Anfängen!

So gelingt erfolgreiches Konfliktmanagement

Nicht jede Meinungsverschiedenheit allerdings ist ein Konflikt. Kleine Reibereien oder humorvolle Sticheleien sind tolerierbar, solange die Beteiligten respektvoll miteinander umgehen, ihre persönliche Beziehung spannungsfrei gestalten und grundsätzlich an einer sachlichen Konsensbildung interessiert sind. Erst wenn bei vermeintlich harmlosen Themen die „Gegenspieler“ heftige Emotionen zeigen, die Diskussion durch Vorwürfe und Rechthaberei geprägt ist und es zu einer deutlichen Stimmungsverschlechterung kommt, sprechen wir von einem Konflikt.

Viel Beachtung hat Rosenbergs Konzept der „Gewaltfreien Kommunikation“ gefunden. Es umfasst vier Schritte: Beobachtungen, Gefühle, Bedürfnisse, Bitten. Das kann sich in einem Konfliktlösungsprozess positiv auswirken, weil sie Raum für ein wertschätzendes, partnerschaftliches Miteinander bieten, und den Vorteil hat, im beruflichen Kontext mehr Empathie zu erzeugen. Davon profitiert das ganze Unternehmen, denn die Zusammenarbeit wird verbessert, die Leistungsbereitschaft steigt und letztlich sind es die Kunden, die eher von zufriedenen Mitarbeitenden kaufen wollen. Das macht sich also "bezahlt".

Eine Schwachstelle in Rosenberge Methode ist die Empfehlung, zu beobachten und auf Beurteilungen zu verzichten. Es hat sich häufig gezeigt, dass eine wertungsfreie Kommunikation kaum möglich ist, denn wer in einem Konflikt steckt, wird von Gefühlen überschwemmt: Angst, Wut, Frustration, Enttäuschung. Auch die Frage: Wie kann man sich empathisch verhalten, wenn man sich angegriffen oder abfällig behandelt fühlt, ist schwer zu beantworten. Beispiel: Jemand sagt "Ich fühle mich von dir angegriffen", womit er - in Einklang mit Rosenbergs Modell - zwar sein Gefühl äußert, aber zugleich auch vorwurfsvoll reagiert, was Rosenberg nicht befürwortet. Überhaupt – die Gefühle! Wie gelingt Konfliktmanagement ohne Emotionen? Genauso gut wie Segeln ohne Wind. Von daher sollte es „bei Bemühungen um eine Konfliktlösung zu allererst darum gehen, sich selbst und die Beteiligten“ – wie Glasl schreibt – „aus der Gefangenschaft der eigenen Gefühle und Stimmungen zu befreien und durch Einfühlungsvermögen den Zugang zum Gegenüber wieder zu finden“.

Was kann man zu Beginn tun? Konflikte haben die unangenehme Eigenschaft, zu wachsen. Von daher sollten die Beteiligten möglichst frühzeitig ein klärendes Gespräch führen, denn Missverständnisse sind schnelle Fahrstühle in den Konflikt. Die meisten Menschen können sich allerdings nicht entscheiden, ob sie das Problem offen ansprechen sollten oder schweigen. Wer aus Harmoniebestreben oder Konfliktscheu zunächst den Mund hält, riskiert, dass ein schwelender Konflikt eskaliert. Das zeigt sich beispielsweise darin, dass sie sich unkooperativ verhalten oder sich bei Dritten über den "Verursacher" beklagen. Das ist immer der andere! Am Ende der Konfliktleiter ist das Klima vergiftet. Konflikte frühzeitig anzusprechen, und zwar beim Auslöser der Spannung, erfordert Mut und Entschlossenheit. Daran mangelt es oft, wodurch eine klärende Aussprache zwischen den Kontrahenten unterbleibt. Die Auseinandersetzung eskaliert und erreicht Dimensionen, die ein Eingreifen von anderer Seite erfordert.

Hier sind Führungskräfte, Personalverantwortliche oder Dritte gefragt, welche die Rolle eines Moderators übernehmen können. Zu Beginn, also in den ersten drei Konfliktstufen, können Konflikte noch gut bewältigt werden, denn bei den Beteiligten bestehen noch Lösungsbereitschaft und Ergebnisoffenheit.

Eine externe professionelle Konfliktmoderation, die in der Lage ist, die Prozess- und Inhaltsverantwortung zu trennen und welche die streitenden Parteien dabei unterstützt, tragfähige Lösungen zu finden und zu implementieren, hat gute Aussicht auf eine erfolgreiche Bewältigung des Konflikts. Häufig sind die strittigen Positionen, die geäußert werden, nicht der Grund für den Konflikt. Vielmehr lauern dahinter Interessen und Anliegen, die unbedingt erkannt und benannt werden müssen, da sonst das Übel nicht an der Wurzel gepackt werden kann. Abschließend ist es erforderlich, nicht nur Handlungsoptionen und Lösungen zu erarbeiten, sondern eine verbindliche Vereinbarung zwischen den Kontrahenten zu finden, die in der Organisation gelebt wird. Aus den Konfliktparteien werden Konfliktpartner.

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Literaturempfehlung:

Friedrich Glasl, Selbsthilfe in Konflikten, Stuttgart 2008

Andreas Edmüller, Heinz Jiranek, Konfliktmanagement, Planegg/München 2010

 

Ziel von gelungener Konflikthandhabung ist, mit mehr Unterschieden und Gegensätzen leben zu können, als vorher.Friedrich Glasl