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Gehirn (Kauf)Entscheidungen

03.05.2015

  Neuromarketing

Wie unser Gehirn (Kauf)Entscheidungen trifft

Täglich prasseln auf uns Unmengen an Informationen nieder. Mit unseren fünf Sinnen Sehen, Hören, Riechen, Tasten und Schmecken gelangt ein unglaublicher Wust an Eindrücken in unser Gehirn. In jeder Sekunde werden Informationen mit einem Umfang von etwa 11 Millionen Bits aufgenommen und verarbeitet. Information overload! Eigentlich müssten wir durch diese ausufernde Reizüberflutung verrückt werden, oder? Werden wir aber nicht! Denn unser Arbeitsgedächtnisweiß sich zu helfen und besitzt nur eine begrenzte Kapazität. Unser Bewusstsein kann lediglich etwa 40 Bits pro Sekunde verarbeiten. Ein Bit ist die Basiseinheit einer Information. Beim Lesen dieses Satzes verarbeitet Ihr Gehirn etwa 45 Bits. Der Verstand kommt also mit nur wenigen Informationshäppchen nacheinander klar, und ist somit relativ langsam. Das ist Teil unserer frühzeitlichen Erbsubstanz. Wenn Gefahr droht, muss rasch entschieden werden, nachdenken kann hierbei tödlich sein. Das Unbewusste wird also in kürzester Zeit mit einer enormen Menge an Informationen fertig. Und das hat sehr weitreichende Konsequenzen. Zum Beispiel für das Marketing. Täglich erhalten wir etwa 3.000 Aufforderungen, etwas zu kaufen, doch etwa 95 Prozent dieser Werbebotschaften erreichen den potentiellen Kunden zu einem Zeitpunkt, wo kein Interesse oder Bedarf besteht. Zugleich ist die bewusste Aufnahmekapazität mit ca. 40 Bits pro Sekunde sehr beschränkt. Hier wird deutlich, weshalb zahlreiche Marketingexperten herausfinden wollen, wo der Logenplatz im Kopf der Kunden ist und inwiefern man das riesige Potential der unterschwelligen Verarbeitung nutzen kann. In zahlreichen Studien wurden überraschende Erkenntnisse gewonnen, hier eine Kostprobe:

Testpersonen wurden aufgefordert, sich Werbespots am Bildschirm anzusehen. Zugleich liefen am Bildschirmrand Gewinne und Verluste von Aktienunternehmen mit. Am Ende der Tests wurde den Probanden eine Liste von börsennotierten Unternehmen vorgelegt und gefragt, von welchen Firmen sie Aktien kaufen würden. Eine deutliche Mehrzahl entschied sich für jene Unternehmen, die zuvor am Bildschirmrand mit hohen Gewinnen präsentiert wurden. Für Lernleistungen bzw. Werbebotschaften, das wird hier deutlich, ist eine konzentrierte und bewusste Aufmerksamkeit nicht unbedingt erforderlich. Das Gehirn arbeitet immer, ist immer in Betrieb, lernt also unentwegt, verarbeitet und entscheidet permanent, eben auch unbewusst. Von daher wäre es ein Irrtum zu glauben, gelernt wird lediglich in Bildungseinrichtungen oder entsprechenden Situationen. Und Werbebotschaften erfolgreich an potentielle Kunden zu bringen, ist ja auch ein Lernprozess.

Dummy

Wo ist der Logenplatz im Kopf des Kunden?

Wir sind also in der Lage, unbewusst und ohne sich mit voller Aufmerksamkeit darauf zu konzentrieren, etwas zu lernen. Doch Voraussetzung für eine effektive Aufnahme und Verarbeitung von Informationen im Gehirn ist, dass die Informationen neu und bedeutsam sind! Unser Gehirn besitzt einen Neuigkeitsdetektor. Dieser Hippocampus, so genannt, weil er einem Seepferdchen gleicht, überprüft zunächst alle eintreffenden Informationen darauf hin, ob sie neu sind. Sollte dies der Fall sein, werden die Informationen eingeschleust. Zugleich wird überprüft, inwiefern diese Informationen bedeutsam sind, und – wenn ja – werden sie mit den bestehenden Neuronen verknüpft. Es ist demnach weniger wichtig, was z.B. in einer Werbebotschaft vermittelt wird, sondern welche Bedeutung es hat. Hierfür wurde folgendes Experiment durchgeführt. Man gab Testpersonen jeweils ein Glas Coca Cola und ein Glas Pepsi Cola, verbunden mit der Frage, welches Getränkt ihrer Meinung nach besser schmecke. 51 Prozent entschieden sich für Coca, 49 Prozent für Pepsi. Dann wurde dieser Geschmackstest wiederholt, die Probanden wussten allerdings, in welchem Glas sich Coca oder Pepsi befand. Ergebnis: 77 Prozent bevorzugten Coca und 23 Prozent Pepsi. Fazit: Präsentiert man Menschen eine attraktive Marke mit hohem Bekanntheitsgrad, wird der Nucleus Accumbens, auch „Lustkern“ oder „Haben-Wollen-Kern“ genannt, besonders aktiv. Um ein Markenbild zu erzeugen, muss das Gehirn ein neuronales Netzwerk, ein Muster, bilden. Dann genügt ein kleiner Impuls, um die Gesamtmarke aufzurufen. Wir hören ein akustisches Signal, beispielsweise das Jingle „Sa-nos-tol°“ oder sehen ein magentafarbiges ...T... der Telekom – das komplette Markennetzwerk ist aktiviert. Ein weiterer Effekt gesellt sich hinzu: Um keine Energie für diesen Entscheidungsprozess zu vergeuden, schaltet das Gehirn auf „Automatik“. Die Markentreue ist aus diesem Grund eine bekannte und im Wettbewerb verständlicherweise unbeliebte Hürde, die bei Neueinführungen von Produkten erst einmal überwunden werden will.

 

Etwa 0,1 Prozent dessen, was das Gehirn aktuell tut, wird uns bewusst. Der Rest wird unbewusst erledigt. Gerhard Roth

 

  Wir können nicht nicht fühlen

Abschied vom Homo Oeconomicus

Für effektives Marketing sind nicht nur die Kriterien „neu und bedeutsam“ wichtig. Die Werbebotschaften müssen auch mit positiven Emotionen verknüpft sein! Jeder Reiz, der mithilfe unserer Sinne in uns gelangt, erhält im Limbischen System eine gefühlsmäßige Färbung. Dieses emotionale Bewertungssystem entscheidet darüber, ob z.B. eine Werbeaussage als positiv oder negativ empfunden wird. Ist der Gesamteindruck gut, entsteht der Wunsch nach Wiederholung, ist er schlecht, wird Vermeidung angestrebt.

Experimente zeigen: neben einem Pullover für 700 € erscheint der immer noch viel zu teure für 250 € besonders günstig, und der teure Wein schmeckt subjektiv besser als der billige, auch wenn es sich um dasselbe Tröpfchen handelt. Fazit: Käufer greifen auch dann zu, wenn sie ein Rabattschild sehen, obwohl der Preis höher liegt. Die Schnäppchen-Jagt scheint - neurophysiologisch betrachtet - zu funktionieren!

Gern wird der heutige Mensch als ein rational handelndes Lebewesen gesehen, das seinem Verstand folgt. Die Erkenntnisse der Neurowissenschaft, die sich auch mit den Auswirkungen der Hirnaktivität auf die Kaufentscheidungen beschäftigen, sind wenig schmeichelhaft für jene, die der Idee eines rein wirtschaftlich und logisch denkenden Menschen folgen. Die klassische Vorstellung, der Mensch sei ein Homo Oeconomicus, ist schlichtweg falsch, denn Menschen handeln nicht nach einer Kosten-Nutzen-Optimierung, sondern sind mehr von ihren Gefühlen, Wünschen und Sehnsüchten getrieben.

Herkömmliche Marktforschungsinstrumente, die sich weitgehend mit dem verstandesorientierten Kunden beschäftigen, erweisen sich als wenig zuverlässig, weil sie einerseits die unbewusste Wahrnehmung von Werbebotschaften vernachlässigen und andererseits die Macht der Gefühle zu wenig beachten. Soll die Werbekommunikation funktionieren, muss die Vermarktungsstrategie berücksichtigen, dass Informationen auch unbewusst wahrgenommen werden und nur jene Botschaften erfolgreich sind, die mit einem guten Gefühl verknüpft werden.

Und das gilt nicht allein für Kauf-, sondern für alle Entscheidungen, die wir im Leben treffen.

 

Marken, Produkte oder Services, die keine Emotionen auslösen, sind für das Gehirn wertlos. Hans-Georg Häusel